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Den Vorteil entdecken!

vorteil

„Fondue“ nennt man in der Schweiz geschmolzenen Käse, man verspeist das das normalerweise nur im Winter und trinkt einen guten Weissen (Weisswein) dazu. Aber angesichts   meines Wohnorts wünschte ich meine Leibspeise zur Unzeit bei dem ausnahmsweisen Schweizer Besuch. Und Patrick, der Präsi ESMONO (links), realisierte meinen Wunsch.

Du weisst, dass ich schon „alles“ erleben, und erfahren durfte, nicht nur Fondue zur Unzeit, und nach meinem Dafür halten hat alles seine Vor- und Nachteile. Es gilt, nach jedem Gewitter die Sonne, jeder Katastrophe den Vorteil zu entdecken. Das Geschenk in jeder Bürde zu sehen.

Zum Beispiel das Schreckensbeben, mit Verlust von Haus und Hab und Gut, „Totalverlust“. Nein, ich wurde ein anderer Mensch. Ich wollte und brauchte kein Geld mehr für mich, die ESMONO entstand – 350 Waisen- und Strassenkinder bekamen eine Schule, Viele einen Job, Melissa eine Aufgabe, die ganze Gegend eine bescheidene Wirtschaft, die Schwarzen Berge eine Farbe. Und ich? Ich habe ganz viele neue Freunde!

Alles hat auch seine Vorteile. An der Fernsehsendung bei Aeschbacher fragte mich Kurt der Moderator, was denn der Vorteil des Todes sei. Gleich rutschte mir raus: „wenigstens die Wahrheit zu kennen … “ Applaus, doch höre selber:

   Otti bei Aeschbi   

Es ist Sonntag, 20. März, 1 Tag bevor Frühling beginnt und die Tage wieder länger werden als die Nächte. „Rara“-Gruppen treiben ihr Unwesen überall wo es Menschen gibt,  rund um das Haus, die ganzen Schwarzen Berge dröhnen, Vertreiben der Geister mit ganz viel Klamauk, besonders während der Nacht. Urzeiten leben auf, älter als Religionen, Teufel und Magie. Furcht? Nein, Freude und Heiterkeit, ausgedrückt mit eigenen Instrumenten, Es lebt!!!

 Rara

Es beginnt die Zeit der Oster-Raras, urheidnische Strassenprozessionen besonders vor dem Haus eines „Houngans“, wie die Zauberer hier heißen. Eine rasch wachsende Menschenmenge rottet sich zusammen mit bunten Fahnen, unter viel Klamauk. „Rara-Musik besteht aus wilden Stößen von Naturtönen aus „Vaksen“, riesigen bemalten Bambushörnern, Blechröhren und improvisierten Blasinstrumenten, manchmal verstärkt durch ausgediente, verbeulte moderne Blasinstrumente wie Trompeten, Reiterbässe, Posaunen, Saxophone und Rundhörner. Dazu kommen ein Arsenal von selbstgebauten Lärminstrumenten, Trommeln, Tamtams, Tamburins oder einfach Pfannen, Bleche, Schellen und alles was sonst noch Lärm erzeugt. Die „Musik“ ähnelt einer wildgewordenen Gugge aus der Schweiz oder einer Gaga-Taino-Indianermusik aus der Dominikanischen Republik und dröhnt wild und afrikanisch.

„Die Musik ist rhythmisch, ohrenbetäubend und angsteinflößend, Melodien sind kaum zu erkennen. Sie ähnelt nordisch-alpinen Frühlingsbräuchen, mit denen die Wintergeister vertrieben werden. Aber im Gegenteil, so wird gesagt, sollen damit die bösen Geister und Dämonen herbeigerufen und „hounganhörig“ werden. Und im Gegensatz zum Norden, wird da noch geglaubt was man macht, es lebt und ist nicht zu folkloristischem Spiel verkommen. Der Houngan ist Zeremonienmeister der Teufel und Zombies, und die Leute behaupten, dass damals die Kreuzigung des christlichen Gottessohnes auf diese Weise von den heidnischen Horden gefeiert worden sei, mit Rara, Tanz und Lärmtiraden. Durch Feiern dieses urheidnischen Brauches wollen sie sich von den Christen absetzen, auch wenn sich die einen trotzdem „Christen“ nennen und sonntags in die Kirche pilgern. Das eine schließt eben das andere nicht aus, hier in Haiti.

Der Lärm ist von fern unüberhörbar und zieht immer mehr Anhänger an, besonders Jugendliche. Es wird getanzt, etliche machen Akrobatik, laufen auf Stelzen oder verrenken ihre Glieder. Die von einem Vorsänger mit Megaphon vorgegebenen Sequenzen oder Phrasen werden von dem Riesenchor nachgesungen. Dass dabei auch Clairin, wie die hochprozentige Zuckerdroge hier heißt, eine bedeutende Rolle spielt, versteht sich von selbst. Man leistet sich auch einige Zigaretten, und die Tablet-Verkäufer marschieren mit (Tablets sind Kleingebäck aus Erdnuss und Zucker). Die Menge strömt tänzelnd durch die engen Gassen der Quartiere und auch über Land und bewegt sich gröhlend immer weiter, zwängt sich durch Nachbardörfer, durch Auto- und Nationalstraßen. Das kann zu ungeheurem Verkehrschaos führen, stundenlange Staus müssen in Kauf genommen werden, das ist ja zu Ostern auch in „entwickelten“ Ländern so, und Volksbrauch hat Priorität. In der Hauptstadt angekommen, schützt Polizei die Raras, und die Regierung unterstützt altes Brauchtum mit Beiträgen (trotzdem noch nicht wie in der Schweiz, wo Geissenpeter, Ziegenherden und Alphornbläser vom Verkehrsverein bestellt und bezahlt werden. Aber Touristen gibt es ja auch noch gar keine hier, zum Glück???). Das war nicht immer so. Zu Zeiten, da Raras als Ausdruck des Volksgefühls politisch „missbraucht“ wurden, wurden die wirksamen „Massenmedien“ als Volksaufwiegelung verboten.

In der Prozession fallen ein oder zwei Zombie-Träger auf, ähnlich unseren Fahnenträgern auch hier ein Ehrenamt, das immer von den gleichen Würdenträgern ausgeführt wird. Sie tragen in einer zugelöteten, mit einer teuren Decke verhüllten Metallkiste , die ebenfalls „Zombie“ genannt wird, „Zombies“ umher, die verlorene Seele und Reliquien eines Verstorbenen, Zauberzeugs von Teufeln und Dämonen, unheimliche und gruselige Dinge, die niemand kennt und noch niemand gesehen hat. Die fremde Seele kann vom Zauberer für seine Dienste benutzt werden. Da Zombies sehr teuer sind, werden dir Körbe oder Kisten für die Dauer des Raras gemietet und mitgetragen. Der Rara dauert die ganze Nacht, oft auch den folgenden Tag, und kann sich nochmals bis weit in die nächste Nacht hineinziehen.“

 Rara um die Trümmerburg

 Rara beim Nachbarn Houngan (Priester-Zauberr-Magier) 

 Zurück in die Haitische Härte 

Vorher aber noch sind Osterferien, sie beginnen gerade jetzt, noch vor der Tag- und Nachtgleiche „Aequinoktium“, um die sich so viele Feste reihen. Wir sind eine Schule, und da will man es halt wissen. Aber in der ESMONO kann man sich auch freuen. Die Kinder freuen sich und geniessen die Winde der längeren und wärmeren Tage – egal, ob die Drachen selbst gebastelt sind oder von Melissa geschenkt. Jeder hat den seinen, und die Freude ist gross.

Papierdrachen warten,  einer für jedes Kind

Jedem Schüler seinen Drachen

 Drachenführer

 Und wie die Kinder lesen lernten …

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